Du möchtest jetzt also mit dem Investieren starten. Aber wo fängt man denn jetzt an und wie ist der genaue Ablauf? Ich möchte dir beispielhaft Schritt-für-Schritt zeigen, wie du vorgehen kannst. Denke aber immer daran, deine eigenen Entscheidungen zu treffen und vor allem zu verstehen, warum du einen bestimmten Schritt gerade gehst.

1. Übersicht deiner Einnahmen und Ausgaben

Es ist zunächst wichtig, deine Sparrate zu bestimmen. Du musst also erstmal wissen, wie viel Geld du im Monat erübrigen kannst und willst. Das Schöne (und gleichzeitig Verführerische) bei einer ETF-Investition ist, dass du jederzeit deine Sparpläne ändern oder aussetzen kannst. Versuche aber nichtsdestotrotz streng mit dir zu sein und deine Sparrate durchzuziehen oder im Idealfall mit der Zeit zu ERHÖHEN.

Um sicherzugehen, dass du dich nicht übernimmst, kannst du ein Haushaltsbuch führen. Dies geht so, wie du das magst: per App, als Exceldatei oder auf Papier. Viele finden dieses Tracken der Einnahmen und Ausgaben im Alltag anstrengend. Vor allem wir Mamas haben nicht immer Zeit, jedes Eis oder Brötchen diszipliniert einzugeben. Genau diese kleinen Ausgaben sind aber andererseits ungemein wichtig für deinen finanziellen Überblick! Häufig geben wir unbemerkt große Summen für Kleinigkeiten hier und da aus (Stichwort Coffee to go). Versuche also wenigstens für einen repräsentativen Zeitraum, zum Beispiel 3 Monate, dein Haushaltsbuch zu führen. Vergiss die jährlichen oder quartalsweise Ausgaben und Daueraufträge, zum Beispiel für Versicherungen, nicht!

Erst wenn du einen Überblick über deinen Finanzen hast, kannst du besser bestimmen, wie viel Geld du monatlich zum Besparen deiner zukünftigen finanziellen Ziele einsetzen kannst. Übrigens: dieses Geld ist ein sinnvolles must-have! Du solltest es nicht als ein Posten behandeln, der am Ende ‚abfällt‘ oder ‚übrig‘ ist. Pay yourself first – das bedeutet: bezahle dich bzw. deine Zukunft gleich am Monatsanfang. Denn es ist eine wichtige Investition in dich selbst.

2. Deine Konsumschulden sollten abbezahlt sein

Konsumschulden nennt man diejenigen Schulden, die nicht für den Lebenserhalt notwendig sind. Du hast sozusagen etwas geshoppt, das dir Spaß im Hier und Jetzt bringt und das teurer war als du dir leisten konntest. Vermeintlich günstige Kreditangebote an jeder Ecke machen es möglich. Konsumschulden sind schlechte Schulden und du solltest diese vermeiden! Spare lieber selbst auf einem Extrakonto etwas für Anschaffungen oder ‚Spaß‘ an (siehe Punkt 3).

Warum ist es also wichtig, vor einer Investition deine Konsumschulden abzutragen? Wie schon erwähnt, hast du ja mehr ausgegeben, als du eingenommen hast. Du musst also monatlich einen bestimmten Betrag zurückzahlen. Hierfür musst du schon diszipliniert genug sein. Wenn du eine ETF- Sparrate parallel laufen lässt, bist du immer in der Versuchung, diese wieder zugunsten der Konsumschulden einzustellen. Dazu kommt ein eventueller Zahlungsengpass, der dir Probleme bereiten kann. Da Kredite häufig sehr hoch verzinst sind, macht es Sinn, das Geld, das du übrig hast, erstmal in die Abbezahlung zu stecken. So machst du also erstmal reinen Tisch und eliminierst zuerst diese Zinsen, die dein Geld auffressen.

3. Deine Reserve für Notfälle oder größere geplante Ausgaben

Keine Konsumschulden mehr zu haben, kann sich richtig gut anfühlen. Um diese in Zukunft zu vermeiden, kannst du dir verschiedene Sparziele setzen. Das Wichtige an diesen Sparzielen ist, dass sie auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto liquide, also jederzeit verfügbar liegen. Du kannst sie auf getrennten Konten oder Unterkonten organisieren:

– Geld als Notreserve / für rainy days

– geplante oder ungeplante Anschaffungen (Waschmaschine, Autoreparatur)

– Urlaub und Reisen

– Fun

Es liegt an deiner individuellen Einstellung: Du kannst diese Gelder parallel aufbauen, während du schon einen kleinen Teil monatlich investierst. Oder du sparst zuerst und startest im Anschluss mit Investitionen. Zur Erinnerung: Das investierte Geld sollte langfristig nicht angefasst werden und ist daher für die oben genannten Ausgaben nicht geeignet!

4. Lege zuerst dein Ziel und einen Anlagezeitraum fest

Jetzt kann es also wirklich losgehen: deine Investition in ETFs! Aber warum und wie lange eigentlich? Das ist eine wichtige und notwendige Frage, über die du dir im Klaren sein solltest. Somit hast du ein Ziel vor Augen, an das du dich erinnern kannst, wenn du mal in Versuchung bist, dein investiertes Geld wieder aufzulösen.

Deine Ziele bei ETF- Investitionen müssen langfristig sein! Warum? Am Aktienmarkt gibt es Schwankungen, Korrekturen und Crashs. Falls du das Geld plötzlich doch für eine Reise brauchst und der Zeitpunkt gerade schlecht ist, da du zu einem schlechten Kurs verkaufst, kannst du Verluste machen. Diese machst du übrigens wirklich erst in dem Moment, in dem du verkaufst! Wenn du aber Zeit hast abzuwarten, kannst du dich zurücklehnen und beobachten, wie die Kurse wieder steigen. Dieser Zeitraum sollte mindestens 10 – 15 Jahre sein. Langfristig ist die Weltwirtschaft immer gewachsen. Studien zeigen, dass in der Vergangenheit eine Krise am Aktienmarkt über den Zeitraum von 15 Jahren immer mit Gewinn überwunden wurde.

Um nicht abstrakt einen Zeitraum zu bestimmen, lege ein Ziel dazu fest. Das kann zum Beispiel sein:

– private Altersvorsorge (welche Summe, ab welchem Alter?)

– Geldanlage für dein Kind (zu welchem Zweck, in welchem Alter?)

– ein geplanter Hauskauf

– dein eigener Vermögensaufbau für Träume oder deine finanzielle Unabhängigkeit

Ein Ziel zu haben, wird dir Selbstbewusstsein für deine Finanzen geben und dich motivieren, am Ball zu bleiben.

5. ETFs vergleichen und aussuchen

Den oder die passenden ETFs zu finden ist vielleicht der schwierigste Schritt. Hier kann dir niemand sagen, was du machen sollst. Es gibt aber ein paar Beginner-Tipps und Beispielportfolios, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Zum Beispiel wird geraten, mit deinen ETFs möglichst die Weltwirtschaft abzudecken. Je mehr Unternehmen, Branchen und Länder du abdecken kannst, um so geringer ist das Risiko eines Verlustes. Die Weltwirtschaft steigt bis jetzt langsam, aber kontinuierlich. Daran kannst du mit einer breiten Streuung teilhaben.

Die Auswahl eines oder mehrerer ETFs ist übrigens nochmal ein Extrathema. Mögliche Zusammensetzungen für dein Portfolio:

– MSCI World und MSCI Emerging Markets (Verhältnis 70:30)

– MSCI ACWI (all countries of the world index)

– Für eine europaorientierte Investition: MSCI World und MSCI Emerging Marktest und Stoxx Europe 600 (Verhältnis 50:30:20)

– Für eine Investition auch in kleinere, wachstumsstärkere Unternehmen: MSCI World und MSCI Emerging Markets (IMI) und MSCI World Small Caps (Verhältnis 60:30:19)

Deine Portfolio- Zusammensetzung gibt es übrigens auch in der nachhaltigen Variante! Achte hierbei vor allem auf die Abkürzungen SRI und ESG im ETF- Namen. Zur Erinnerung: Entscheide selbst, welche ETFs zu dir, deinen Zielen und deinem Risikoprofil passen. Ich zeige dir nur mögliche Optionen auf.

Es gibt viele informative Internetseiten, auf denen du deine ETF-Suche und -Vergleich angehen kannst. Ich selbst nutze beispielsweise Justetf, Finanztip oder Extraetf (keine Werbung; nur ein Tipp ;).

 

6. Broker vergleichen und aussuchen

Wow, der wichtigste Schritt ist getan und du hast dir durch die Auswahl von Ziel, Zeitraum und ETF eine Anlagestrategie erarbeitet. Jetzt kannst du loslegen und dir einen Broker aussuchen und ein Depot einrichten.

Ein Broker ist der Finanzdienstleister, über den du mit ETFs, also am Aktienmarkt, handeln und in deinem Depot aufbewahren kannst. Dies kann vielleicht deine bekannte Hausbank (z.B. Comdirect) oder auch ein sogenannter Neo-Broker (z.B. Trade Republic) sein. Wähle selbst aus, was dir am besten zusagt. Ist dir eine Desktopversion wichtig? Dies haben unter Umständen einige Neo-Broker nicht. Ist dir wichtig, dass eine alteingesessene Bank hinter deinem Finanzdienstleister steht? Das wäre bei Filial- oder Onlinebanken der Fall.

Wichtige Kriterien sind ansonsten:

– die Kosten für das Depot (es sollte kostenlos sein)

– die Kosten für die sogenannten Trades, also die Käufe und Verkäufe deiner ETF-Anteile

– die Kosten für die Sparplanausführung (einige Banken haben eine große Auswahl an kostenlosen ETF- Sparplanausführungen: befristet oder unbefristet)

– werden die ETFs, die du dir ausgesucht hast überhaupt von deinem Broker angeboten? Sind sie dort über einen Sparplan zu besparen, sprich sparplanfähig?

Aber Obacht! Kennst du den Spruch: wenn etwas kostenlos ist, bist DU das Produkt? Schaue dir genau das Gesamtpaket deines Brokers an. Um beim Beispiel zu bleiben: Comdirect hat eher hohe Kosten (1,5%) für Sparplanausführungen und Trades. Dafür ist der Kundenservice top. Trade Republic bietet sehr kostengünstige Trades an, hat dafür aber bisher nur Angebote eines ETF- Herausgebers/ Emittenten im Angebot. Auf der anderen Seite ist der Kostenpunkt natürlich wichtig, da er deine Rendite auf lange Sicht schmälert. Wie immer gilt: It’s up to you!

7. Depot eröffnen

Wenn du dir eine Bank bzw. einen Broker ausgesucht hast, kannst du bei diesem ein Depot eröffnen. Ein Depot ist wie ein Konto, nur für Aktiengeschäfte. Die Eröffnung läuft ähnlich ab.

Wie du ein Depot einrichtest, kannst du hier nachlesen.

8. Sparplan einrichten

Wenn du für dein Depot einen Sparplan einrichtest, heißt das, dass du automatisiert regelmäßig Geld in deinen ETF einzahlst. Es ist also wie ein Dauerauftrag. Dieser Sparplan ist komplett flexibel änderbar oder einstellbar. Das ist Fluch und Segen zugleich. Du brauchst Disziplin und die regelmäßige Visualisierung deiner Ziele, um kontinuierlich am Ball zu bleiben. Zudem kannst du auch jederzeit Einmaleinzahlungen vornehmen, wenn du z.B. Weihnachtsgeld erhältst.

In Schritt 1 hattest du durch Tracken der Einnahmen und Ausgaben deine Sparrate bestimmt. Diese Sparrate sollte aufgeteilt werden auf deine liquiden Sparziele (siehe Punkt 4), eventuell Schuldentilgung und die Höhe deiner ETF- Sparpläne.

Bei der Sparplaneinrichtung entscheidest du folgende Punkte:

– Welchen ETF möchtest du besparen?

– Wann soll das Geld abgebucht werden?

– Geht das Geld von deinem Verrechnungskonto oder vom Girokonto ab?

– Wie hoch ist die Sparrate?

Wie genau du den Sparplan einrichtest, hängt von der Benutzeroberfläche deines Brokers ab. Es ist in der Regel aber sehr leicht, verständlich und fix umsetzbar.

9. Feier dich!

Mache dir am Ende dieses Prozesses noch einmal bewusst, was du geschafft hast!

Vielleicht warst du früher mal in einer Situation, in der du bei einer Bank ein Finanzprodukt abgeschlossen hast, wie z. B. eine Lebensversicherung oder einen Bausparvertrag. Hier dachtest du bestimmt: „wow, kompliziert“. Und weißt du was, so kompliziert und vor allem teuer muss deine finanzielle Vorsorge oder dein Vermögensaufbau garnicht sein! Du hast jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, dass sich durch den Zinseszinseffekt dein Geld vermehrt. Du musst keine überhöhten Verwaltungsgebühren bezahlen und managest es allein.

Lehn dich zurück und schau jetzt erstmal eine ganze Weile nicht in dein Depot. In ein paar Jahren wirst du sehen, dass sich die Mühe am Anfang gelohnt hat. Herzliche Glückwünsche, du bist jetzt Investorin!